Immigranten und Flüchtlinge zu Gast bei Nord-Licht
Die neuen Nachbarn
Im SportJugendZentrum Buchholz begegneten sich interessierte Bürger und junge Leute, die erwartungsvoll nach Deutschland gekommen waren. Alle saßen an einem Tisch, kein oben und kein unten, aus der angekündigten Podiumsdiskussion wurde ein gutes Gespräch mit den „Neuen“. Frieder Bubl, Vorsitzender des Bildungsvereins, nahm das erste Kennenlernen in die Hand. Mit Arabisch- und Englisch-Dolmetscher eine mittelschwere Übung.
Drei Fragen hatte er auf dem Herzen. Erstens, warum haben Sie Ihr Land verlassen? Zweitens, warum haben Sie sich Deutschland ausgesucht? Und drittens, was wollen Sie erreichen in Deutschland?
Mossi, die 22-jährige zierliche Syrierin, die mit Mann, Bruder und Kind im Amtshaus untergebracht ist, hatte ihr Baby dabei. Sechs Tage alt.
In der Ukraine zu leben sei nicht leicht, sagt Natalia aus Odessa. Sie ist Psychologin, deren Abschlüsse hier nicht anerkannt werden, und sie hat ihren kleinen Jungen mitgebracht. „Wir sind jung und vielleicht auch klug“, sagt sie… Sie sieht Chancen, sich etwas aufzubauen.
Ja und warum gerade Deutschland? Mehrfach hören wir, nicht ohne ein bisschen geschmeichelt zu sein: „Deutschland, das ist ein schönes Land.“ Einer setzt hinzu: Alle meine Freunde haben gesagt, hier kann man gut leben.
Alexandra, die Bankkauffrau aus Kolumbien, lässt uns wissen, dass sie sich auch mit deutscher Geschichte befasst hat und wüsste, dass es da auch schlimme Sachen und Zeiten gegeben hätte. Das sei überwunden und sie hätte ja auch einen deutschen Mann, den es herzieht, und ihre Kinder seien deutsch. Sie wünscht sich ein normales Leben.
Keine Frage, wir sind schon lange ein Einwanderungsland, bestätigt Katarina Niewiezial, Integrationsbeauftragte für den Bezirk Pankow. Zum besseren Verstehen von „Einheimischen und Fremden“, darunter vielen asylsuchenden Flüchtlingen, will sie beitragen. Ein friedliches solidarisches Zusammenleben, das ist die Vorstellung.
Was dann deutlich wird, ist eine große Hilfsbereitschaft. Jeder der Anwesenden, so ist der Eindruck, möchte sich einbringen mit seinen Möglichkeiten. In der Kleiderkammer auspacken, sortieren, ausgeben oder Sprachschulungen auf den Weg bringen oder Behördengänge mit gehen … Die Neuen einbeziehen ins gesellschaftliche Leben. Und unsere Nachbarn sind ja auch nicht von gestern. Sie sind unter sich vernetzt. Das Internet macht’s möglich. Sie nutzen Facebook und alle moderne Kommunikation und brauchen trotzdem vor Ort unsere Hilfe.
Es wird an diesem 6. November daran erinnert, dass wir auch mal ein Auswanderungsland waren. Und gerade in der Zeit des Faschismus viele Deutsche in anderen Ländern gut aufgenommen wurden. Solidarisch sein ist nun hier angesagt. Wer im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Feuer spielt, z.B. Flüchtlingsunterkünfte niederbrennt, begeht ein Verbrechen. So war einhellig die Meinung.
Die leise Befürchtung, dass sich mit den Flüchtlingsströmen in unser Land das altgewohnte Leben verschlechtert, ist mit flotten Sprüchen nicht wegzukriegen. Und als Andrea Delitz, die das Nachbarschaftszentrum in ihrer Obhut hat, verkündete, dass es Ende des Jahres seine Tätigkeit einstellen muss, weil das nötige Kleingeld fehlt, hätte man es als den Beweis ansehen können. Mir fiel rechtzeitig ein, dass Nord-Licht eine Veranstaltung mit der Verantwortlichen Bezirksstadträtin für Gesundheit und Soziales, Lioba Zürn-Kasztantowicz, hatte. Sie machte damals schon deutlich, dass die Existenz des Amtshauses jedes Jahr, wenn es um den Haushalt geht, auf Messers Schneide stünde … Das heißt aber nicht, dass wir uns ergeben müssten. Und überhaupt: Einer der Gäste sagte, dass sie lernen, arbeiten und leben wollen. Wer sagt denn, dass die vielen zielstrebigen jungen Leute nicht eines Tages auch ein Segen für unser Land sind?
Text und Bild: Renate & Detlev Enneper
Sonderausstellung im Stadtmuseum Berlin,
Haus Ephraim-Palais
TANZ AUF DEM VULKAN
In einem der schönsten Treppenhäuser Berlins ging es treppauf und treppab. Erste, zweite, dritte Etage – das Stadtmuseum Berlin im Nikolaiviertel, das Ephraim-Palais, beherbergt bis zum 31. Januar 2016 die aktuelle Sonderausstellung TANZ AUF DEM VULKAN. Es erwartet uns das Berlin der Zwanziger Jahre im Spiegel der Künste.
Wer am 4. November den Vereinsabend des Kultur- und Bildungsvereins Nord-Licht besuchte, kam auf seine Kosten. Der Wandel der Zeiten fand hoch dramatisch statt. Was auf der einen Seite zu blutigen Klassenkämpfen führte, brach sich auf der anderen Seite in Exzessen Bahn, die von der unbändigen Lust zu leben, von der Sucht nach Vergnügen und Amüsement zeugten. Und nur die Kunst, behaupten wir mal, kann gesellschaftliche Zustände wie diese so einzigartig abbilden. Hans Baluschek, Käthe Kollwitz, Heinrich Zille … Schauen Sie selbst. Und riechen Sie selbst. Die dritte Etage fängt den 1 A Duft vom Berlin der Zwanziger ein. Originell!
Das Rokoko-Palais galt schon im 18. Jahrhundert als „schönste Ecke“ Berlins. Zu verdanken war dieser Ruf der ovalen Gebäudeform. Veitel Heine Ephraim, in Diensten von Friedrich II., ließ den Prachtbau 1762 bis 1766 errichten. Als der Mühlendamm 1935 erweitert wurde, kam das Aus für das Gebäude. Die Fassadenteile lagerten von nun an im Wedding und wurden erst zur 750-Jahr-Feier Berlins ins neu entstandene Nikolaiviertel zurückgeführt. Ein gelungener Ost-West-Deal. Wenige Meter entfernt vom einstigen Standort erhebt sich heute das Ephraim-Palais. So, als wäre es nie fortgewesen.
Die Besucher aus Französisch Buchholz suchten sich zum Kommen einen Mittwoch aus. Das ist der Tag mit freiem Eintritt. Eine seit Jahrzehnten bewährte
kulturfreundliche Geste der Stadt und ihres Glanzlicht-Museums.
Bild und Text: Detlev & Renate Enneper
Mein Hobby ist gefragt
Das ist die zweite Ausstellung, die Buchholzern einen Rahmen gibt, ihre Künste öffentlich zu machen. Oder die dritte? Schließlich hat der Fotowettbewerb von Nord-Licht ja auch gezeigt, was in diesem speziellen Genre für Freunde der Fotografie steckt.
Wer aber sein Hobby hat und darin aufgeht, bereichert sein Leben auf andere Art. Das Spiel der freien Kräfte bringt etwas für die Persönlichkeit. Und wenn wir richtig hinsehen, dann bringt es auch etwas für uns, die Betrachter dieser vielfältig bunten Exponate. Sechs Buchholzer haben uns ihre kreative Seite gezeigt und zur Eröffnung viel Beifall geerntet. Sicher finden Sie auch Gefallen daran. Schauen Sie doch mal rein! Die Zeit nehmen Sie sich einfach vom Fernsehbudget.
Geöffnet ist die Ausstellung, wenn auch das Amtshaus seine Türen offen hält.
Renate & Detlev Enneper (Text & Bild)
Französisch Buchholz, Treffpunktsaal
Gysi ist da
Am Ende der Veranstaltung lasse ich mir mein Buch signieren. Dem agilen Mann mit den flinken Augen scheint nichts zu entgehen. Ja und die Jahre scheinen ihm nichts anhaben zu wollen. Der Glückliche. Er talkt gerne, das wissen alle, aber das erfahren wir an diesem 9. September mal ganz und gar life. Er schreibt sich zu, mit jedem reden zu können. Sehr gerne mit dem Obdachlosen, aber anregend kann es auch mit dem Milliardär werden.
Der Bildungsverein Nord-Licht hat uns ein Gespräch über Herkunft und Zukunft versprochen. Das war es auch. Gregor Gysi und Friedrich Schorlemmer, der leider nicht dabei sein konnte, in der
Hauptrolle. „Was bleiben wird“ ist im Aufbau Verlag erschienen, herausgegeben von Hans-Dieter Schütt. Das Doppelporträt der Männer, die in der DDR so unterschiedlich agierten, bekommt nach 25 Jahren
leben im Bundesland erstaunlich ähnliche Züge.
Aber was bleibt nun wirklich?, fragt einer aus dem Publikum. Ohne Umschweife sagt Gysi:
Es gab keine soziale Ausgrenzung in der DDR.
Die Gesellschaft war solidarischer.
Die Sprache, vorzugsweise im Recht, war verständlicher.
Wie er begründet und darstellt, seine Familie beschreibt, das hat immer auch eine komische Seite. Zum Beispiel Bewerbungen im Osten. Da musste einer möglichst bescheiden und zurückhaltend auftreten.
Sich eher schlecht machen als loben. Bewerbungen im Westen? Strotzend vor Selbstbewusstsein und unrealistisch die eigenen Leistungen anpreisen. So wird vielleicht was.
Das Publikum war erstaunlich gelassen. Der harte politische Schlagabtausch blieb aus, er war auch nicht erwartet worden. Der Noch-Fraktionsvorsitzende der Linken nährte eher die Hoffnung auf Unterhaltung, Spaß und geistvollen Austausch. Das alles ist eingetroffen, und die ausgezeichnete Moderation von Dieter Klengel von Nord-Licht hat dazu beigetragen.
Gregor Gysi wird uns erhalten bleiben – als Rechtsanwalt, Politiker, Publizist, Moderator und Entertainer. Als Mensch eben.
Renate & Detlev Enneper
(Text & Bild)