Singe, wem Gesang gegeben
Die Berliner Straße ließ ums Amtshaus keine Lücken zum Parken frei. Hinter der Roten Schule erst fanden die letzten zum Veranstaltungsort Eilenden ihren PKW-Platz. Das dritte Mal schon kamen viele,
gerufen vom Bildungsverein Nord-Licht. Es ist Singeabend. Das Stühle-Einstellen nahm kein Ende, über 60 Leute belebten schließlich den kleinen Saal. Und als sie ihre Stimmen erhoben, wusste jeder,
dass es ihnen bitterernst ist mit „Musik & Humor“. So das Motto der Veranstaltung, Unterzeile: „Das ist die Berliner Luft“.
Heut ist ein wunderschöner Tag, die Sonne lacht uns so hell … Zum Einsingen und Gute-Laune-Machen wie geschaffen. Der Konzertchor der Berliner Pädagogen, an diesem 26. Juni ist
eine kleine Gruppe bei uns, versteht sein „Handwerk“. Es greift alles ineinander. Das gemeinsame Singen, die humorvollen Rezitationen, die Vorträge der Sänger vom Konzertchor. Dabei ist auch der
Amtshaus-Chor.
Gegen Ende der Vorstellung klingt es fröhlich aus allen Kehlen Mein kleiner grüner Kaktus.
Und dazwischen? Na Berliner Melodien, alte Bekannte, aber gleichzeitig allzeit beliebte Titel wie Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft, so mit ihrem holden Duft, Duft,
Duft.
Da hat jeder so seine Erinnerungen. Von meiner Mutter kenne ich dergleichen als Küchenlieder, weil sie eben dort in der Küche von ihr gesungen wurden. Von meinem Vater, weil er schon mal im
Kaffeehaus Klavier spielte und mit Untern Linden, Untern Linden gehen spazieren die Mägdelein … gut ankam.
Peter Aderhold dirigierte und leitete, Horst Birkholz animierte professionell zum Singen. Horst Wickert brachte herrliche Nonsensgedichte und andere Bonmots, er spielte den fröhlichen Leidtragenden, weil er mit seiner Moderation immer wieder zu Stuhle kam, in der Krummen Lanke aber auch mit Emma uff de Banke.
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Renate & Detlev Enneper
70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg
Am Ende befreit
Im Mai 2013 war Prof. Dr. Kurt Pätzold bei der Podiumsdiskussion zum Rechtsextremismus an gleichem Ort und gleicher Stelle: im Amtshaus von Französisch Buchholz in einem mit interessierten Besuchern gut gefüllten Raum. So wie heute am 12. Mai 2015 auch. Herzlich begrüßt und vorgestellt wird der 85-jährige Wissenschaftler, der bis 1990 an der Humboldtuniversität den Lehrstuhl für Geschichte innehatte, vom Vorsitzenden des Bildungs-und Kulturvereins Frieder Bubl.
Die Geschichte der Deutschen ist keine einfache Geschichte. So fängt es an. Prof. Pätzold greift auf, wie Politiker und Medienvertreter im Jahr der großen Geschichtsjubiläen die Ereignisse werten. Es ging viel um Begrifflichkeit, die aufdeckt und das Wesen einer Erscheinung deutlich macht oder verschleiert und abstumpfen lässt. Die Nazidiktatur heißt dann schlechterdings „Reich des Bösen“, die Naziriege „Raub- und Glaubensgemeinschaft“. Das Ende des Zweiten Weltkrieges bleibt schmachvolle Kapitulation, blendet die Befreiung vom Hitlerfaschismus aus. Es war 1985, vier Jahrzehnte nach Kriegsende, als Bundespräsident Richard von Weizsäcker im Bundestag von Befreiung sprach. Zu dieser Initiative brauchte es viel Mut in der damaligen BRD, schätzte Prof. Pätzold ein.
Eigentlich sollte eine Podiumsdiskussion die deutsche Geschichte erhellen. Kurt Pätzold war Manns genug, den Abend allein zu bestreiten. So musste ihn niemand teilen. Der beredte Professor ist auch ein exzellenter Zuhörer und hat auf jede Frage eine Antwort oder zwei oder drei Antworten… Übrigens ist er ein Exot. Er gehört zu den wenigen Frauen und Männern seines Faches, die Marxisten sind.
Text & Bild: Renate und Detlev Enneper
Ein Programm von und mit Jane Zahn:
Angriff der Killerdrohnen
Ein knallharter Politkrimi am 24. April, einem Freitagabend, und das zwei Stunden lang im Amtshaus von Französisch Buchholz und nicht auf der Couch zu Hause.
Frieder Bubl, Vorsitzender von Nord-Licht e.V., sagte der Kabarettistin Jane Zahn schon bei der Begrüßung nach: „Neben den 'üblichen Verdächtigen' im Repertoire jeder gestandenen Chanson-Sängerin bringt sie eigene Songs und Texte, rezitiert lautmalerisch-expressionistisch Morgenstern-Gedichte, singt argentinische Tangos und russische Balladen ebenso überzeugend wie mitreißend und verkörpert mit jeder Faser die selbstbewusste, sinnliche Frau mit Herz und Verstand.“
Und so war es dann auch. Nur, dass die Klofrau Rosa vom Reichstag noch dabei war (J.Z. in zwei Rollen) und der voll besetzte Raum mit Beifall und Lachen und Einbezogen-Sein ebenfalls mitspielte.
Es ging gegen alles, was diese Zeit beschwert. Gegen den gläsernen Menschen, gegen IS und Waffenhandel und militärische Einsätze im Ausland, gegen das Bild vom Russen, der vor der Tür steht, gegen artgerechte Haltung von Frauen am Herd und immer wieder gern gegen die Banken. „Die Linken stinken“, von Rechts droht keinerlei Gefahr, hieß es ironisch. Und erst die Killerdrohnen! Sie machen sich die sozialen Netzwerke zu Nutze und schalten unliebsame Zeitgenossen aus. Das Bewegungsprofil liefert das Handy des Verfolgten. Und es klickt ungerührt weiter: Gefällt mir …, Gefällt mir …, Gefällt mir …
Was ist besser, offen oder zugeknotet sein? Wer überall offen ist, kann auch nicht ganz dicht sein. Einer der Sprüche von Jane Zahn.
Spätestens jetzt merken Sie, die Vorstellung war etwas für starke Nerven. Aber gerade die brauchen wir jetzt und in aller Zukunft.
Text und Bild: Renate & Detlev Enneper
Jahreshauptversammlung, die Dritte
Nord-Licht e.V., der Kultur- und Bildungsverein in Französisch Buchholz, liegt voll im Trend
Am 14. April saßen zur Mitgliederversammlung wieder alle an einem Tisch. Andrea Delitz, Hausherrin vom Nachbarschaftszentrum, das für Veranstaltungen und
Zusammenkünfte des Vereins ganz häufig genutzt wird, konnte als Gast begrüßt werden. Dieter Klengel, Gründungsmitglied des Vereins, leitete die Versammlung, und Vorsitzender Frieder Bubl hielt den
Bericht des Vorstandes über das Geschäftsjahr 2014. Beschlussfähig war sie allemal, die Versammlung, 82,3 Prozent der Mitglieder waren dabei.
Alles lief wie am Schnürchen. Das Geschäftsjahr wurde dargestellt, der Kassenbericht gegeben und die Revision bemüht. Eine lebhafte Diskussion schloss sich an.
Wenn man bedenkt, dass es 600 000 Vereine in Deutschland gibt und weiß, was für ein Leistungspotenzial dahintersteckt, ist man schon vorsichtiger mit dem Wort „Vereinsmeierei“. Würden wir aufwachen und hätten keine Vereine mehr, ich glaube, es würde uns schlecht gehen. Das Vereinswesen hat von vielen Nutzen und Vorteilen für die Gesellschaft auch den Geschmack von Bürgerfreiheit. Und den wollen wir behalten.
Zum Beispiel, um ein wenig zu helfen, über „Religion und Gesellschaft“ aufzuklären. Original Rechenschaftsbericht: „Hervorzuheben ist dabei die Veranstaltung „Religion und Gesellschaft“, die auf Grund ihrer Thematik, der Exklusivität des Podiums und der Einmaligkeit einer solchen Diskussion ca. 100 Gäste angelockt hatte.“ Kommen der Imam, der Rabbiner, der katholische und evangelische Pfarrer miteinander zurecht? Spannung pur.
Die Mischung der Veranstaltungen war gut. Beim Singen selbst Akteur sein und beim Tangotanzen auch, das macht Spaß. Die ernsten Themen wie „Klima im Wandel“ laufen uns nicht weg, aber sie gehören in das Bildungsprogramm natürlich an exponierte Stelle.
Mitglieder gewinnen und Nachwuchs, das bestimmte mehrmals die Diskussion. Nicht nur bei Nord-Licht ist das ein Dauerbrenner. Immer mehr Vereine mit immer weniger Mitgliedern, das ist der Trend. 1990 waren es 62 %, die angaben, in einem Verein zu sein, 2000 nur noch 53 % und 2014 lediglich 44 %. Und drei von vier Deutschen, die sich in einem Verein engagieren, sind aktive Mitglieder, weiß Wikipedia. Alles wird gut. Wir brauchen die Interessierten und Engagierten nur einzusammeln.
Text und Bild: Renate & Detlev Enneper
Denkmalgeschützt und voll im Gange
Kossätenhof in Französisch Buchholz
Zum Vereinsabend luden sich die Mitglieder von Nord-Licht e.V. ins wohl älteste Haus ihres Ortes, in die Hauptstraße 45, ein. Erbaut um 1720 für Menschen, die aus Frankreich flohen, später Hugenotten genannt, erfüllt es noch heute als Wohn- und Arbeitsstätte seinen Zweck. Jedenfalls, nachdem es 1993 eine Verjüngungskur gut überstanden hat. Am 8. April begrüßte Manfred Kohla eine illustre Runde. Wir begegneten den Hausherren Max Rosin und André Nickl.
Nicht, dass die Männer die Tradition fortsetzen, weil sie Gemüse anbauen und Ackerböden fruchtbar machen. Nicht, dass sie prahlerisch die hugenottische Herkunft ihres Umfelds zelebrieren. Nein, die Werkstatt, die sie sich teilen, die Art, wie sie uns sagen, was sie hier tun, spannt Brücken zwischen Damals und Heute. Aura nennen es die einen, Wertebewusstsein vielleicht die anderen. Wie auch immer.
Der Philosoph unter den beiden ist Max Rosin. Er lässt es gerne auf sich zukommen und ist mit einer Intelligenz gesegnet, die aus dem Zufall eine wunderbare Erfahrung machen kann. Die Musikinstrumente, die er „zimmert“, passen zu seiner musischen Begabung, aber auch zu seiner Fähigkeit, Präzisionsarbeit zu leisten und zäh dranzubleiben. So kann Max auch mit Menschen umgehen, die plötzlich in sein Leben „fallen“. Auf einmal unterweist er einen jungen Mann aus Somalia, der doch gar nicht unterwiesen werden darf … Psst. André Nickl überzeugt anders. Er ist Innenarchitekt. Seine Arbeiten sind das Design von Restaurants, Arztpraxen, Kindereinrichtungen, alten Häusern, die bauliche Veränderungen brauchen. Ein Werk, das nie vom Funktionellen absieht, meist streng in der Gestaltung ist und einen hohen ästhetischen Anspruch in Form und Farbe erfüllt. Künstler und Handwerker sind sie beide. Aber jeder hat seine Art, es in die Welt zu bringen …
Text und Bild: Renate & Detlev Enneper |
Nord-Licht trifft Morgenröthe
Diesmal gab es keine holprige Landung in der kasachischen Steppe. Nein, der gelernte Buchdrucker und Fliegerkosmonaut, erster Deutscher im All, Dr. Siegmund Jähn, aus Morgenröthe-Rautenkranz
wurde von den Nord-Lichtern des Kultur- und Bildungsvereins direkt in den Science-fiction-feeling ausstrahlenden Festsaal der Treffpunkt-Gemeinde in Französisch Buchholz gebeamt.
Siegmund Jähn sprach über deutsche Beiträge zur Entwicklung der Raketentechnik und der bemannten Raumfahrt und stand für Fragen zur Verfügung. Der Einladung zu der Veranstaltung vom 12. März 2015
waren über 200 Interessierte gefolgt. Der Festsaal der Treffpunkt-Gemeinde konnte gerade noch alle fassen. An dieser Stelle auch der Dank an die Treffpunkt-Gemeinde, die hier eine neue Location für
Veranstaltungen ermöglicht. Und wie Pfarrer Peter Kressin die Nord-Licht-Hausfarbe bei der Bühnen-Gestaltung einsetzte, zeugt von besten himmlischen Kontakten.
Deutsche Entwicklungen in der Raumfahrt halfen den Amerikanern und Sowjets bei den ersten Schritten ins All. Nach 1945 war Deutschland nicht gestattet, an Raketentechnik zu forschen, aber
die Entwicklung spezieller Module für den Einsatz in der Weltraumforschung waren möglich. Die Multispektral-Kamera der DDR ist so ein Ergebnis und die Kometen-Sonde Rosetta zeugte mit der gelungenen
Landung nach 10-jähriger Flugdauer auf dem Asteroiden Tschurjumow-Gerassimenko von deutschem Knowhow. Der Kosmonaut Siegmund Jähn sprach auch vom deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst, einem
sympathischen Wissenschaftler, der gerade einen erfolgreichen Aufenthalt auf der Internationalen Raumstation ISS abgeschlossen hat.
Fragen des Moderators und der Veranstaltungsbesucher, ob der Weltraum ausschließlich friedlich bleibt, fanden leider keine beruhigenden Antworten.
Dank an Siegmund Jähn und die Nordlichter für den gelungenen Abend. Wir freuen uns auf das nächste Programm-Highlight.
Detlev Enneper
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Fragen zum Weltraumschrott. Und ob Siegmund Jähn mehr Angst beim Start oder bei der Landung gehabt hätte.
Weltraumschrott wird wohl erst ein Thema, wenn es einmal richtig gekracht hat.
Angst ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck, aber jedes Weltraumunternehmen ist keine Selbstverständlichkeit und bedarf immer der vollen Aufmerksamkeit der Raumfahrer.
Wo leben wir denn?
Gesprächsrunde mit Petra Pau am 12. Februar 2015 im Nachbarschaftszentrum Französisch Buchholz zum Thema: "Ist der NSU-Untersuchungsausschuss ein parlamentarisches Instrument zur Wahrheitsfindung?"
Dieter Klengel vom Kultur- und Bildungsverein stellt den über 40 Besuchern die Linken-Politikerin vor und denkt laut nach: Ob es in Buchholz sowas schon mal gegeben
hat – eine Vizepräsidentin des Bundestages tritt auf?
Petra Pau ist Mitglied des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages (Nationalsozialistischer Untergrund = NSU). Sie weiß von den Verbrechen, die sich
zwischen 2000 und 2006 abgespielt haben, mehr als sie eigentlich wissen möchte. Acht türkischstämmige und griechische Kleinunternehmer fallen einer Mordserie in verschiedenen Städten der Republik zum
Opfer. Die verantwortliche rechtsterroristische Organisation machte auch dann noch weiter. Die Polizistin Michèle Kiesewetter war die letzte, die sterben musste, ihr 10. Opfer.
Danach hagelte es Entlassungen. Zum Beispiel musste der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz gehen. Es schien so, als wolle man die Pannen aufrechnen und einen Neuanfang wagen. Weit gefehlt. Die Aktenvernichtung, die Nachlässigkeiten in der Ermittlung, der Einsatz von V-Personen mit neonazistischen Ambitionen gingen weiter, und das organisatorische Defizit wuchs.
Die 50 Empfehlungen des NSU-Ausschusses haben alle Vertreter der Parteien unterschrieben. Das ist über ein Jahr her. Bisher ist nicht zu erkennen, dass sich etwas tut. Den Fehlgriffen und Pannen von Polizei und Geheimdiensten, ihren erfolglosen Methoden wird keineswegs der Kampf angesagt. Der Ausschuss hat der Wahrheitsfindung gedient. Aber dann muss es weitergehen. Wo leben wir denn? Sind demokratische Bestrebungen nicht opportun? Passen sie nicht in die Landschaft?
Petra Pau spricht für die Linke und macht deutlich, dass sie dranbleiben werden. Die Empfehlungen werden nicht in den Wind geschrieben sein. Insofern möchten sie
und wir sehr wohl wissen, was alles passiert und was wir einem Deutschland schulden, in dem sich alle in die Augen sehen können. Aus dem Brief einer Mitbürgerin zitierte Petra Pau:
Heimat, das ist Sicherheit.
Renate & Detlev Enneper (Text & Bild)
Wer Interesse hat, findet im Internet unter: Deutscher Bundestag Drucksache 18/558
die 50 Empfehlungen des NSU-Ausschusses.
Der Saal im Amtshaus füllte sich schnell. Das düstere Thema NSU stand im starken Kontrast zur Ausstellung, die Henrik Neubert zeigte. Pop-Art in lebensfrohen Farben und Motiven an den Wänden. Das war zufällig so, aber es tat gut.
Besorgt wurde Petra Pau befragt, wie sie mit den 40 Morddrohungen, die sie bekommen hätte, umginge. Sie bleibt vor allem ruhig, hat man den Eindruck, folgt, wie sie sagt, den Anweisungen des Sicherheitsdienstes, ist diszipliniert. Und dann, wenn sie sich wie an diesem Donnerstag in der Öffentlichkeit bewegt, hat sie Begleitung. Davon konnten wir uns überzeugen.
Eine Überraschung hatte Petra Pau dann auch noch bereit. Druckfrisch Biografisches unter dem Titel GOTTLOSE TYPE. Meine unfrisierten Erinnerungen, herausgegeben vom Eulenspiegel Verlag. Sie durfte signieren.